Eine Duftreise durch die Einzigartigkeit

Es ist ein Dufterlebnis durch Blumen, Sandelholz, Lavendel, Wacholder, Bergamotte und vieles mehr. Riesige Apothekengläser die einen begrüßen und eine minimalistisch Einrichtung. Ein Ort, an dem man sich einzigartig fühlen kann und auch so behandelt wird. Keinen Druck verspürt etwas kaufen zu müssen, sondern sich Zeit zu lassen. Ein Bild von einer älteren Dame an der Wand unterstreicht das entspannte und vertraute Ambiente. Doch sie ist nicht irgendeine Dame. Sie ist die Großmutter von Stefanie Hanssen, Gründerin des Labels Frau Tonis Parfum. So heißt ihre Oma auch, Frau Tonis. Ihre Inspiration für das Label. Es ist der rosige Duft ihrer Oma der ihre Kindheit begleitet hat. Der Sinn für das Besondere, der ihr mitgegeben wurde, sich nicht dem Massenkonsum anzupassen, sondern das Gespür für das ausgefallene und einzigartige zu bekommen.

Wir haben diese selbstbestimmte Frau zum Interview getroffen:

://CC Erzählen Sie doch mal Ihre Geschichte, von der Idee bis hin zur Eröffnung des eigenen Stores.

S.H 2009 ist diese Idee aus zwei Teilen heraus entstanden. Zum einen, weil es so eine Art der Parfümerie in Berlin noch nicht gegeben hat. Ich habe aber auch nach einem ganz bestimmten Duft gesucht, welchen ich an einer Dame in der Philharmonie geschnuppert habe. Ich habe mich nicht getraut zu fragen, welcher es ist. Dieser Duft war unglaublich schön. Er roch sogar fast medizinisch, grün und frisch. Ich war so verblüfft, dass wenn man so einen Duft im Kopf hat und ihn sogar beschreiben kann und klassifizieren, man nirgends damit Erfolg hat. In den Parfümerien oder Kaufhäusern wurden mir nur die neuesten Kreationen angeboten und zugehört hat mir niemand so wirklich. Daraus ist dann letztendlich die Idee entstanden. Zusammen mit Christoph Niedermeier habe ich einen Businessplan entwickelt und haben gehofft das wir eine Berliner Bank mit ins Boot ziehen können. Leider empfanden sie diese Idee absurd, eine Nischen Parfümerie mit Autodidakten zu gründen. Dann mussten wir zurück ins Ruhrgebiet, wo wir herkommen. Dort haben wir endlich Finanzierungshilfe erhalten. Benannt haben wir die Parfümerie dann nach meiner Großmutter. Es ist eine Hommage an sie, da sie der wichtigste Mensch in meinem Leben ist, sie ist jetzt 89 Jahre. Sie hat mir am meisten mit in die Wiege gelegt, wie die Wertschätzung von Manufaktur Produkten. Ob es das Schneidern von ihren Kleidern war oder ihr persönlicher Rosenduft, den es jetzt auch bei uns in der Parfümerie gibt. Sie hat Wert auf das Besondere gelegt. Wenn ich jetzt zurückblicke, auf die vergangenen Jahre, was schon wildes passiert ist, freue ich mich jeden Tag aufs Neue, dass ich es gewagt habe. Aber auch, dass ich so viel Zuspruch bekommen habe. Die Leute mögen es, sich wirklich auf Düfte einzulassen und zu merken, dass wir hier nicht diesen irren Verkaufsdruck haben.

://CC Eine schöne Geschichte! Ihre Großmutter kann wirklich stolz auf sie sein. Wie aber funktioniert die Herstellung Ihrer Düfte?

S.H Wir sind zwar Autodidakten, aber wir lassen unsere Düfte produzieren. Jedoch nur in Europa, in Grasse. Wir fahren dort regelmäßig hin und schauen nach, wie die Produktion läuft. Wir arbeiten dort mit einer Parfümerie zusammen, welche es seit 1748 gibt. Die haben also auch die Top Kompetenz. Wir entwickeln gemeinsam neue Düfte. Zuerst sind sie in unseren Köpfen, dann wird gebrainstormt und experimentiert. Die Entwicklung eines Duftes, können wir allerdings nur mit Profis zusammen machen. Die wissen genau darüber Bescheid, welche Mengenverhältnisse nötig sind. So eine Duftentwicklung kann dann meist sogar bis zu zwei Jahren dauern.

://CC Und wie viele Düfte verkaufen Sie zur Zeit hier im Laden?

S.H Auf der mittleren Insel im Laden, sind es 31 Eau de Parfum und dann haben wir noch eine kleine Auswahl an Eau de Cologne, weil es für viele Menschen bereits zu intensiv ist. Viele sind es gar nicht mehr so gewohnt, die kaufen Eau de Toilette. Das hat einen viel höheren Alkoholanteil, warum es auch schneller verfliegt. Da muss sich die Nase erst einmal wieder an einen so intensiven Duft gewöhnen.

://CC Sie verwenden viele natürliche Inhaltsstoffe, bedeutet das auch, dass es dazu beiträgt schneller zu verfliegen?

S.H Nein auf keinen Fall. Natürliche Inhaltsstoffe bedeutet für uns, dass wir es wirklich in Europa produzieren. Aber auch die Menge an Blüten die pestizidfrei in der Regel in Frankreich verwendet werden. Es kann aber auch immer sein, dass synthetische Stoffe hinzu kommen. Auf den Punkt gebracht, es ist so viel Natur drin und so viel ethisches Arbeiten wie möglich. Aber Synthetik kann man heutzutage kaum noch ausschließen.

://CC Was letztendlich sorgt also dafür, dass ein Duft schneller verfliegt?

S.H Ein zitrischer Duft zum Beispiel. Der Duft lagert sich, aufgrund der Moleküle nicht komplex an. Wenn sie diesen zum Beispiel  mit einem orientalischen Duft vergleichen, vollmundig und schwer, ist dieser von den Molekülen ganz anders gebaut. Zitrische Düfte sollen schnell beleben und schnell wirken, aber dadurch verfliegen sie auch schneller. Generell ist aber zu sagen, dass Eau de Parfum Düfte viel länger an der Haut haften als Eau de Toilette, dass liegt an der Menge des Alkoholanteils.

://CC Nun haben wir auch gelesen, dass man hier seinen eigenen Duft kreieren kann. Wie beraten Sie denjenigen dann am Besten?

S.H Am Besten, sollte derjenige vorher anrufen und dann schließen wir den Laden nur für ihn, damit wir in aller Ruhe beraten können und uns nur auf die Düfte konzentrieren können. Zudem sind wir sehr neugierig und fragen viel. Es beginnt mit simplen Fragen, wo die Vorlieben liegen. Ist jemand Fan von blumigen Düften oder eher orientalischen. Soll der Duft einen durch den Tag tragen oder darf er abends lauter und exzentrischer sein. Vieles läuft aber auch über Augenkontakt ab, denn Augen lügen nicht. Man stellt so ganz schnell fest, ob der Duft dem Kunden wirklich zusagt. Wenn wir einen gefunden haben, fangen wir an, ihn auf der Haut aufzutragen. Denn die Haut stahlt einen Duft ja nochmal ganz anders aus. Wir stellen dann eine Komposition zusammen, der Kunde bekommt den Duft mit, darf ihn allerdings drei Tage nicht verwenden, weil sich die Moleküle neu mit einander verbinden müssen. Bedeutet luftdicht und dunkel lagern. Seit 2009 haben das bereits 5000 Menschen gemacht, die einfach Lust hatten so zu riechen wie kein anderer. Genau das ist sicher auch der Reiz daran.

://CC Was glauben Sie denn, was ein Duft über eine jeweilige Person aussagt?

S.H Ich glaube, dass Düfte manchmal Dinge hervorheben sollen. Mir fällt das auf, wenn sehr taffe, kräftige Frauen zu uns kommen und ganz ganz zarte Blütendüfte möchten. Ich denke, dass es eine Sehnsucht ist, die Düfte manchmal bedienen sollen. Das ist so, als möchte sich derjenige einhüllen oder kleiner machen. Im Gegenzug ist es uns auch schon passiert, dass zum Beispiel zarte junge Spanierinnen zu uns kommen und Düfte wählen, wo es so richtig krachen kann. Tabak, Leder, Weihrauch. Das macht sie vielleicht unbewusst größer. Wir denken, dass Düfte Eigenschaften hervorheben sollen, die derjenige subtil mit sich bringt und die er sonst gar nicht anders zum Ausdruck zu bringen weiß. Man ist oft überrascht über die Wahl, da einen das optische Erscheinungsbild täuscht. Die Optik hat mal nichts zu sagen. Es gibt Menschen die aus Neukölln zu uns kommen, die haben zwei Boxer an der Leine, sind in Joggingklamotten gekleidet, haben aber eine riesen Ahnung von Parfüm.

://CC Eben, dass Aussehen oder eben das Optische sagt nichts aus. Da haben Sie sicher schon eine Menge erleben dürfen. Wie ist es denn überhaupt zu diesem Design mit den großen Apothekerflaschen gekommen?

S.H Es ist die Philosophie, dass wir mal gesagt haben, weniger ist mehr. Es wird keine Kampagne geben, es gibt keine Idee Anzeigen zu schalten mit dem hundertsten halbnackten Model. Die Idee einfach dahinter, herzukommen und von nichts abgelenkt zu sein. Less is more. Aber auch den Laborgedanken zum tragen zu bringen. Es ist ein bisschen ätherisch. Wir sind sehr reduziert, der Kunde soll an dem Apothekerstopfen riechen.

://CC Man lässt sich auch viel zu schnell von so vielen Dingen ablenken. Da kommen wir auch gleich zur nächsten Frage, was sagen sie zu den ganzen Parfümindustrien? Überall laufen meist dieselben Werbungen, da fragt man sich dann schnell ob die Menschen den Sinn für das Besondere verloren haben?

S.H Ich gucke da schon sehr kritisch drauf. Parfüm kann so viel mit einem selber machen, aber eigentlich ist es so, dass die Industrie immer nur dieselben Themen bedient. Sei es das halbnackte Mädchen oder der halbnackte Junge, welche ästhetisch und überirdisch schön sind und unterm Strich aber trotzdem nur das Parfüm wie den heiligen Gral in die Kamera halten. Für mich ist es immer so austauschbar. Inzwischen riechen die großen Marken oftmals so ähnlich. Andererseits ist es aber auch toll für Nischen Parfümerien. Denn genau da können sie sich behaupten. Auch an dem Zuspruch den wir bekommen, sehen wir, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben.

://CC Das stimmt, dass bedeutet Sie kommen hier bei den Berlinern gut an?

S.H Ja! Wir freuen uns sehr über die Wahrnehmung. Das macht einfach Spaß zu sehen uns gehts nicht alleine so und die Leute lieben es.

://CC So ein Zuspruch lässt einen ja auch weiter wachsen! Ist denn der einzige Laden, der hier in Berlin?

S.H Genau, der wird auch hier bleiben! Die Idee so zu bleiben, wie wir sind. Mit einem kleinen Team, mit einem kleinen Angebot. Vielleicht bin ich auch für so richtig große Geschichten nicht geschaffen. Bedeutet einfach, dass die Verbreitung der Marke über Wiederverkäufer funktioniert. In erster Linie lief das über Concept Stores. So habe ich am Ende auch noch Zeit für meinen Sohn, der jetzt 12 ist. Ab einem gewissen Punkt, müsste ich sonst ganz viel abgeben, was ich gar nicht wollen würde oder aber ich müsste schauen, dass ich um 22 Uhr nach Hause komme.

://CC Es soll ja auch einfach etwas Besonderes und Einzigartiges bleiben. Wie viele sind sie jetzt hier im Team?

S.H Es gibt in der Grafik zwei, von der Produktgestaltung bis hin zur Website. Dann haben wir im Marketing vier Leute. Christoph und mich dazu und in der Regel sind dann noch zwei Leute da, die den Laden schmeißen.

://CC Und das Team kreiert neue Düfte mit?

S.H Genau, denn sie haben am meisten Kundenkontakt und wissen was sich die Menschen an Düften gerade wünschen. Wir haben seit drei Jahren auch mindestens immer wieder einen neue Duft im Portfolio pro Jahr, mindestens. Eigentlich aus eigener Lust heraus. Duft als Inspiration ist auch unser Motto und dadurch leben wir das auch aus.

://CC Was hat sich denn seit Ihrer Gründung verändert?

S.H Eigentlich alles! Und ich denke, dass ist auch Teil der Entwicklung. Wenn ich zurückblicke, wie wir unsere Düfte präsentiert haben. Wir sind sehr nostalgisch gestartet. Da gab es Flakons die sahen aus, wie aus den 20er Jahren. Auch das Logo hatte so eine irre verschnörkelte Art. Bis wir zu dem Punkt gekommen sind, top minimalistisch zu sein. Ich denke am Anfang waren wir schon sehr auf meine Großmutter fixiert, die Hommage an sie drückte sich auch in der Gestaltung aus. Und heute sind wir einfach sehr Berlin. Die Marke bleibt jung, da sie sich schon sehr geändert hat.

://CC Und wenn Sie jetzt zurückblicken auf Ihren Anfang und sehen, wo Sie heute stehen. Worauf sind Sie besonders stolz?

S.H Eigentlich auf die Mitarbeiter. Weil das Prinzip so toll funktioniert hat. Die Idee hier im Laden anders mit den Leuten zu sprechen, kommt unheimlich gut an. Hier gibt es eine Beratung und keinen Verkaufszwang. Wir wollen nicht, dass die Leute am Ende rausgehen und sagen oh Gott waren die nervig! Wir möchten nur Leute um uns, die Autodidakten sind und die Liebe zum Duft haben. Wir haben Dolmetscher, Psychologen, Leute die Kunstgeschichte studiert haben. Die meisten kommen aus den verschiedensten Richtungen und treffen sich hier, weil sie eine Menge über Parfüm wissen. Und genau das macht mich so stolz, weil wir da so oft das Feedback bekommen, dass wir so tolle Leute hier haben.

Und auch in diesem Jahr hält die Parfümerie wieder eine Veränderung bereit. Ein Schritt weiter. Sie möchten noch freundlicher wirken und haben sich entschieden, ihre Flakonetiketten in Weiß zu halten. Momentan sind sie noch Schwarz. Aber um das offene, freundliche und vertraute noch zu unterstreichen, haben sie sich für Weiß entschieden.

Stefanie Hanssen

Photos by Frau Tonis Parfum

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